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Paí Oliva schreibt zu Weihnachten 2009
von Paí Oliva - Hermann Schmitz
15.12.09     A+ | a-
Heute finde ich die  Zeit und die Ruhe, an euch und die Menschen in aller Welt zu denken, die ich liebe. Euch zu sagen, dass ihr mir stets in Erinnerung seid und ich euch in dieser Weihnachtszeit sehr nahe bei mir spüre.
Das Geschenk, das ich euch senden möchte, ist mein Dank für etwas, wofür man sich fast nie bedankt:                              
Ihr seid es, die Personen selber, mit denen ich Zeit verbracht habe, von denen ich so viel Gutes gelernt habe und die ihr mich in meinem Leben habt wachsen lassen.
Das versuche ich auch in meinen folgenden Worten zu sagen  -  meinen jetzigen Begleitern, aber auch euch allen, die es genau so verdienen.
Denn ihr alle habt  -  in den verschiedenen Abschnitten meines Lebens  -  aus mir das gemacht, was ich heute bin.

Mein Leben war ein beständiges Lernen, und meine besten Lehrer waren meine Familie in Huelva in Spanien, die jungen Menschen und die Armen Andalusiens und Lateinamerikas, besonders meine Landsleute in Paraguay. Ihnen allen gilt mein Dank.

Zur Zeit sind die „Bañados Sur“ von Asunción mein Lernort, ein Gebiet mit 16.000 Bewohnern, das alle zehn Jahre vier Meter hoch überschwemmt wird und uns zwingt, in den höher gelegenen Straßen Asuncións neun Monate inmitten von Sperrholz und Pappe zu verbringen. Wenn der Wasserspiegel dann sinkt, kehren wir zurück und müssen immer wieder von neuem anfangen.

„Bañado Sur“ bildet die Grenzlinie zwischen der Menschlichkeit und der Unmenschlichkeit. 90 % der Bewohner leben in Armut, mehr als die Hälfte von ihnen in elendsten Bedingungen. Der schlimmste Mangel ist das Fehlen von Arbeit, dabei spreche ich nicht von würdiger Arbeit, sondern einfach Arbeit.

Da ist eine Müllkippe, auf der Männer, Frauen und Heranwachsende für zwei Dollar am Tag ihr Leben verschwenden. Hitze, Feuchtigkeit, Gestank und giftige Ausdünstungen sind kaum zu ertragen.
Die dort arbeiten, müssen ihren Körper sorgsam verhüllen.       
In Bañados Sur gibt es keinerlei sanitäre Anlagen, die Abwässer fließen über die Wege. Ebenso wenig besteht eine verlässliche Wasser- oder Stromversorgung.
Viele derer, die auf dem Müll keinen Platz zum Arbeiten finden, schieben ihre primitiven schweren Karren durch die Stadt und sammeln Plastik.
Zwei Stunden brauchen sie jeweils, um dorthin zu gelangen und wieder zurück.
Drogen beherrschen immer mehr das Viertel und haben die Jugend des Viertels im Griff. Viele Überfälle sichern die tägliche Ration Crack oder Marihuana.
klick grossDie Unterernährung ist alarmierend hoch.
Gleichwohl  -  und trotz all dieser schlimmen Zustände  -  betrachte ich Bañados Sur als die moralische Reserve Paraguays. Wie das?!
Wenn unter solch erbärmlichen Bedingungen die Menschen dennoch ganz stark ihren Lebenswillen behaupten, ja sogar Lebensfreude bewahren, wenn ihre Freundlichkeit und ihre Solidarität so außerordentlich sind  -  dann werden nichts und niemand ihnen diese Werte wegnehmen.
In solidarischem und friedlichem Umgang leben sie diese Werte ganz konkret  -  erstaunlich viele von ihnen.

Was habe ich gelernt?
Nun, dass ich meinen Glauben nur leben kann, wenn ich an ihrer Seite und mit ihnen zusammen kämpfe. Als eine Art Genosse und Berater aller sozialer Organisationen und als Priester in drei ihrer Kapellen.
Mit unserer Organisation „Tausend sind solidarisch“ versorgen wir fünfhundert unserer Jugendlichen zwischen vierzehn und achtzehn mit Beihilfen, damit sie die Schule besuchen und später an der Universität studieren können.
Am meisten aber habe ich gelernt, dass man auch mit einundachtzig Jahren noch ein junges Herz haben kann. Diesen Schatz habe ich von den Jungen und Armen bekommen. Vielleicht deshalb, weil ich ein bisschen wie sie geworden bin.“

In diesen Tagen vor Weihnachten schreibt Pater Oliva in den beiden großen Tageszeitungen.
(wo er eine tägliche Kolumne hat):

„Bald ist Weihnachten  -  und wieder werden manche weich, auch von den sonst eher Harten und Unerbittlichen. Einige schenken den Armen Kartons mit Nahrungsmitteln. Manches Mal, eher selten, säubern sie einen Armen, kleiden ihn gut und laden ihn zum Essen am Heiligen Abend ein.
Das sind, ehrlich gesagt, eher indirekte und ziemlich fiktive Annäherungen,
vielleicht mit guter Absicht durchgeführt, jedoch schlecht bedacht.
Wenn Weihnachten bedeutet, sich dem Volk zu nähern, in unserem Paraguay, wie könnte das in guter Weise aussehen?
Meine konkrete Erfahrung in den Bañados ist es, dass für  Zweidrittel der hier lebenden Menschen die materiellen Bedingungen so hart sind, dass ihnen ein Paket Lebensmittel nicht nur nichts bringt, es vielmehr eher dem Geber dient, indem es sein Gewissen fälschlicherweise beruhigt.
Also was tun?
Sich zu Weihnachten den Armen nähern könnte in diesem Jahr zum Beispiel bedeuten, dass sich eine Gruppe von Unternehmern mit einer Gruppe von Anführern aus den Bañados trifft  -  oder eine Gruppe von Müttern aus der Oberklasse der Gesellschaft mit einer Gruppe von Frauen in einer der neuen elenden Niederlassungen hier unten  -  oder eine Gruppe von Jugendlichen aus einer reichen Schule mit armen Gleichaltrigen:
So können sie sich gegenseitig kennen lernen und sich austauschen.
In einem freundschaftlichen Klima konkrete Pläne für eine beiderseitige  Hilfestellung und für gemeinsame Arbeit machen, vielleicht  ein Projekt initiieren -  für das Jahr 2010!
Ich bestehe auf Arbeit, denn die fehlt am allermeisten und ist doch so entscheidend für den Aufbau unseres Landes.

Ich stelle mich als Mittler zur Verfügung: Wenn wir uns gegenseitig öffnen und zu konkreten  Ergebnissen kommen, wäre dies eine wahrhafte Feier der Weihnacht.
Ich danke euch für das Interesse und die Zeit, die ihr den Menschen von Bañados Sur gewidmet habt, auch für eure Hilfe!

Gute Weihnachten für euch alle und den Segen Gottes für das Jahr 2010
Pater Oliva

Ausbildungszentrum für ländliche Entwicklung (CCDA)

Hilfsverein Solidarität - Solidaridad

Fundación Vida Plena

Kinderstation Hospital Barrio Obrero

Fundación Celestina Pérez de Almada

Padre Oliva - Bañados del Sur

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